Ein Foto zeigt eine Feuerleiter von unten. Genau in der Mitte des Fotos befindet sich ein Flugzeug. Was für ein wunderbarer Moment, dachte sich die Firma Nikon und mit ihr viele Follower auf Instagram. Der Kamerahersteller zeichnete das Foto bei einem Wettbewerb aus. Der Bildautor gab auf Instagram an, er habe nicht allzu lange warten müssen, bis das Flugzeug ganz zufällig genau in der Bildmitte auftauchte. Nun, er hat wahrscheinlich gar nicht gewartet, weil er das Flugzeug einmontiert hat. Allerdings wurde dieses Foto nicht in der Kategorie „Beste Montage“ ausgezeichnet (Informationen zum Foto sind hier zu finden: http://petapixel.com/2016/01/29/nikon-awards-prize-to-badly-shopped-photo-hilarity-ensues/)
Der Fall hat für große Diskussionen in den Sozialen Medien gesorgt. Eine Fraktion steht auf dem Standpunkt, dass jede Bearbeitung eines Fotos Teufelzeug ist. Ich nenne sie die Puristen. Eine solche Fotomontage lehnen Puristen ab. Puristen versehen ihre Fotos allerdings auch gern mit dem Hinweis, sie seien nicht bearbeitet worden. Möglicherweise verkennen sie den Punkt, dass die Software einer jeden Kamera, aber gerade auch die Software von Smartphones nur bearbeitete Fotos preisgibt.
Genau so argumentiert eine andere Fraktion: Es gebe keine unbearbeiteten Fotos. Insbesondere die Erhöhung von Kontrast, Sättigung und Farbe mithilfe diverser Filter sei ein massiver Eingriff und erfolge praktisch immer. Wo liege der Unterschied zwischen einem Flugzeug, das es in dem Moment der Aufnahme nicht an dieser Stelle gab, und der Veränderung der Bildaussage durch veränderten Kontrast etc.? Die Kreativen, so will ich sie nennen, argumentieren aber nicht nur damit, dass es unbearbeitete Fotos nicht gibt, sondern auch damit, dass gerade in den Sozialen Fotonetzwerken die User ihre Bilder bis zur Unkenntlichkeit bearbeiten. So waren Fotos des zugefrorenen Canale Grande in Venedig eine Zeit lang sehr beliebt. Landschaften werden aufgepeppt mit einer zweiten, künstlichen Sonne; über den Weihnachtsmarkt rieseln Schneeflocken bei Plusgraden usw.
Eine Zwischenposition nehmen jene ein, die argumentieren, ein einmontiertes Flugzeug verändere die Bildaussage. Ein Foto müsse demgemäß als Montage ausgewiesen werden. Diese Position erkennt ausdrücklich an, dass es sich dabei durchaus um eine Kunstform handelt. Die Vermittler ziehen eine moralische Grenze, zwischen erlaubter und nicht erlaubter Veränderung des Fotos. Diese Grenze zu ziehen ist freilich sehr schwierig. Sind die Schneeflocken auch schon eine solche unerlaubte Manipulation?
Eine weitere Position argumentiert anders: Das Bild spiele gar keine Rolle. Entscheidend sei, dass Nikon ein Bild ausgezeichnet hat, das nicht den Regeln entsprechend aufgenommen worden ist. Der Kreative wäre demnach eher ein Opfer, weil er den Marktgesetzen erlegen ist und unbedingt kreativ sein musste – hier in Form von etwas, was nicht in das Bild hinein gehört. Hier wenden einige ein, der Bildautor habe, wie oben erwähnt, zunächst behauptet, er hätte das Foto so und nicht anders aufgenommen.
Jede der hier skizzierten Positionen hat Argumente, die im Kern nicht ganz neu sind. Die Diskussionen sind teils heftig ausgefallen und die Kritik wurde persönlich, so dass sich der Fotograf gezwungen sah, einen längeren Entschuldigungstext zu schreiben (https://instagram.com/p/BBKgxvlrROk/). Mich hat überrascht, wie emotional die Debatte ausgetragen wurde, da ich auf fotosozialen Netzwerken eine Reihe von „Bearbeitungen“ zur Kenntnis nehme, die niemanden zu interessieren scheinen. Vielleicht lag es an der Auszeichnung des Fotos durch Nikon, an der sich viele gestört haben. Möglicherweise stören sich einige User schon länger daran, dass gerade stark bearbeitete Fotos in bestimmten Netzwerken besonders gut anzukommen scheinen. Wie auch immer, letztlich muss jeder für sich entscheiden, welchen Weg er beim Fotografieren und Bearbeiten geht.