Die eigenen Fotos, die einem besonders wichtig sind, müssen nicht zwangsläufig auf Instagram erfolgreich sein. Ich habe einfach mal nachgeschaut, welche der Bilder, die ich im letzten Jahr auf Instagram gepostet habe, mir besonders wichtig sind. Hier erzähle ich etwas darüber, wie sie entstanden sind.
Die Begegnung
Zwei Menschen, die aneinander vorbeilaufen. Sie haben wahrscheinlich voneinander nur so viel Notiz genommen, dass sie nicht zusammenstoßen. Der Mann hat ein Smartphone in der Hand. Man könnte das Bild deswegen als Kritik an der Allgegenwart von Smartphones verstehen. Allerdings passiert eine solche (Nicht-)Begegnung tagtäglich in einer Stadt wie Berlin: Wir laufen aneinander vorbei, ohne voneinander Notiz zu nehmen. Wir haben uns Strategien zurechtgelegt, wie wir mit der Komplexität der Welt umgehen können. Würden wir jeden grüßen wollen, der uns begegnet, wären wir schnell überfordert.
Das Foto entstand auf einem Spaziergang mit Michael, der auf einer Interrail-Tour in Berlin Station machte. An diesem Tag war das Licht recht hart und die Sonne stand noch hoch – eigentlich ein ungeeigneter Moment zum Fotografieren. Wir diskutierten über die Youtube-Vermarktung und Social Media im Allgemeinen und fotografierten nur so nebenbei. Als wir auf dem Marie-Elisabeth-Lüders-Steg standen, drückte ich auf den Auslöser und entstanden ist dabei dieses Foto, das seine Wirkung, wie ich finde, erst durch die Drehung entfaltet.
Kölner Dom
Während der Photokina ist die Fotografendichte in Köln wahrscheinlich höher als in den meisten anderen Orten der Welt. Die Fotografen schwärmen dann aus, um von Köln Fotos zu machen. Hinzu kommen normale Touristen, die gern oder vorzugsweise den Kölner Dom fotografieren. Um meine Follower auf meine Serie mit Köln-Fotos einzustimmen, suchte ich nach einem Motiv, dass – jenseits von gefliesten Garageneinfahrten – typisch ist für diese Stadt. Der Kölner Dom ist natürlich ein naheliegendes Motiv, aber auch allzu bekannt und „abfotografiert“? Ich lief durch Köln und beobachtete, wie Touristen von einer Kreuzung aus immer wieder Fotos vom Dom machten. Ich ging dorthin, und dachte, vielleicht ist das wirklich ein guter Punkt. Tatsächlich hat man von dort eine gute Sicht auf den Dom und die umliegenden Häuser, durch die die Größe des Doms auf einem Foto erst so richtig deutlich wird. Ich schaute mich um und fand eine Schaufensterscheibe, die den Dom reflektiert. Jeder erkennt den Dom, aber durch die Spiegelung ist die Sicht verfremdet, anders.
Einige Wochen später lernte ich Arina Daehnick kennen, eine Architekturfotografin. Sie schaute sich das Foto auf meinem Instagram-Account an und kritisierte den Bildzuschnitt: Auf der rechten Seite sei eine helle Fläche, die ablenkt. Das Bild hatte ich so geschnitten, um es in das Porträt-Format von Instagram einzupassen. Aber jetzt, als sie es sagte, störte es mich natürlich auch. Doch gepostet ist gepostet. Dafür gibt es hier den besseren, wenngleich ungewöhnlichen Zuschnitt.
Frankfurt am Main im Regen
Ich war zur Frankfurter Buchmesse eingeladen, um an einer Podiumsdiskussion über Selfpublishing und Webpublishing teilzunehmen. Mit dabei Sascha Lobo, den ich schon häufiger am Helmholtzplatz gesehen, mit dem ich aber noch nie gesprochen hatte. Lange habe ich überlegt, wie ich den Auftritt auf Instagram ankündige. Ein passendes Bild von Frankfurt hatte ich nicht und mein Bücherregal mit Suhrkampbänden wollte ich nicht fotografieren. Also beschloss ich, ein Foto von Frankfurt zu posten, das ich auf dem Weg zur Messe machen würde. Am Tag meines Besuches regnete es. Soviel vorab.
Ich fotografierte die Gleise, aber zu viele Menschen störten und insgesamt war zu wenig Licht. Ich lief umher, fand einen Oldtimer, den ich aber an einem Wochentag nicht posten mochte. Ich näherte mich dem Messegelände, als ich Pfützen sah, in denen Laub lag. Ich versuchte die Spiegelung einer Person mit Schirm zu fotografieren. Aber die Menschen kamen in Gruppen und mit dem Ergebnis war ich nicht zufrieden. Dann drehte ich mich in die andere Richtung und sah, dass sich auch der Messeturm und das benachbarte Hochhaus in einer Pfütze spiegelten. Und ein paar Blätter lagen außerdem herum. Als schließlich eine Frau mit Schirm kam, hatte ich die Szenerie. Dass dieses Foto dann so erfolgreich werden würde (mit inzwischen über 13.000 Likes), hätte ich allerdings nicht gedacht. Es gibt einfach spannendere und ikonographischere Hochhäuser als den Messeturm.
Das falsche Tandem
Als ich mit dem iPhone 4 erste Panning-Shots machte, war ich fasziniert von der Qualität der Aufnahmen, denn ich nutzte Hipstamatic dafür und weder die Belichtungszeit noch irgendetwas anderes ließ sich einstellen. Mit einer LUMIX oder einer Leica ist das alles kein Problem mehr. Gerne werde ich gefragt, welche App ich für diesen Effekt nutze. Das sind die Momente, in denen ich denke, ich werde alt, weil ich mich nicht für die neueste App interessiere.
Die zwei Jungs auf dem Fahrrad kamen an der Kreuzung Eberswalder Straße angegurkt. Ich erwischte sie gerade noch so. Das Rad zu fahren ist offensichtlich einfacher als auf dem tiefen Gepäckträger zu sitzen. Soweit ich sehen konnte, sind die beiden nicht gestürzt.
Der U-Bahn-Eingang
Mit der U-Bahn nur fünfzehn Minuten entfernt von der Station Eberswalder Straße befindet sich diese Treppe, die vom U-Bahnhof Stadtmitte hinaufführt. Wenn die Sonne richtig steht, fällt das Licht praktisch bis auf den Bahnsteig. Als ich zufällig vorbeikam, hat mich das Licht begeistert. Auf Passanten braucht man nicht zu warten, vielmehr ist es schwierig, nur eine einzelne Person zu fotografieren, weil ständig Leute kommen.
Dann kam dieser Pfeife rauchende Herr vorbei. Dahinter stieg eine Frau die Treppe herab, die sich mit der rechten Hand an den Kopf fasst. Die Schatten berühren sich, als ob der Mann die Frau nach unten zieht. Aber es ist nur eine Begegnung der Schatten. Gefreut habe ich mich natürlich, als ich dann bei anderen Streetfotografen diese Treppe und das Licht wiedergesehen habe. Oder habe ich nach meinem Foto nur genauer auf das Motiv geachtet?
Gedenkstätte Berliner Mauer
An der Gedenkstätte komme ich häufig vorbei. Ich finde, sie ist schwierig zu fotografieren, weil all die Erinnerungen, die ich an die Teilung und die „Wiedervereinigung“ habe, sich nicht in einem Foto ausdrücken lassen. Als ich wieder einmal versucht habe, den Mauerstreifen zu fotografieren, habe ich meine Teleskopstange mitgenommen, auf der ich meinen Fotoapparat befestigt habe. Den Trick habe ich von Jonas Borg gelernt, der damit schon lange Fotos aus der Vogelperspektive macht.
Nur zwei Tage zuvor, am 9. November, wurden zum Gedenken an die Mauertoten Blumen in die Ritzen der sogenannten Hinterlandmauer gesteckt. Der Mann hebt seine Hände, und man weiß nicht, was diese Geste besagen soll: Anklage gegen das Unrecht? Hilflosigkeit gegenüber der Geschichte? Er hat ganz einfach sein Smartphone für ein Foto herausgeholt.