Endlich können die Autofahrer den Gleimtunnel passieren – die schöne Gleimstraße ist wiedervereinigt. Die Einzelhändler (auf der Ostseite) jubilieren, weil jetzt wieder massenhaft Kundschaft aus dem benachbarten Wedding angebraust kommen kann. Schon bilden sich Schlangen vor dem „Getränke Hoffmann“. Aus dem Antiquitätengeschäft werden die Möbel herausgetragen und in Porsche Cayennes geladen.
Den festlichen Akt der Wiedereröffnung habe ich gestern verpasst. Deshalb mache ich mich heute auf den Weg. Schon auf Höhe der Max-Schmeling-Halle höre ich es krakeelen, ein Lob auf das Megaphon. Sollte der Regierende noch immer hier feiern und nebenbei die Entlassung des Staatssekretärs Andrej Holm verkünden? Oder verkündet Müller die Eröffnung und feiert die Entlassung?
Als ich näher komme, sehe ich, dass der Regierende wohl eher nicht hier ist. Keine dicken Autos. Dafür empfängt mich ein junger Mann mit einer Art Mütze auf dem Kopf. Er fragt mich, ob ich Die PARTEI kenne. Ich sage, ich kenne sie nicht. Roman Archner, so der Vertreter der Partei, die ich nicht zu kennen vorgebe, erklärt mir, sie würden hier für freien Sex demonstrieren und für die Schließung des Gleimtunnels, der mit einer Mauer beiderseits gesichert werden soll. Der Tunnel wäre dann ein Tunnel der Liebe. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?
Er bat mich noch um eine Unterschrift, damit die Partei Die PARTEI bei der Bundestagswahl antreten könne. Sie würden sich, so erzählte mir Herr Archner, in den nächsten Wochen auch in der Nähe von AfD-Ständen aufhalten, um Unterschriften zu sammeln. Schließlich erzählte er mir noch, dass er seinen Facebook-Account gerade aufbaue. Man habe ihn gesagt, das brauche man heute. Bisher, so Archner, habe er Google Plus genutzt, was aber, so seine Berater, ein nicht sonderlich populäres Netzwerk sei. Ich habe ihm nicht erzählt, dass er Snapchat braucht, denn das nutzen junge Leute heute. Und gefunden habe ich ihn weder auf Facebook noch auf Google Plus.
Der Gleimtunnel, soviel noch dazu, hat nun hellere Lampen, so dass das bröckelnde Mauerwerk auch ohne Taschenlampe bewundert werden kann.