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AutorenbildJoerg Nicht

Einfach gut essen


Vor dem Café Butter in Berlin-Prenzlauer Berg wirbt ein Lieferservice mit dem Slogan „Einfach gutes Essen“. Doch ich mag lieber kompliziert gut essen. Vorstellbar ist auch, dass ich einfach schlecht essen möchte oder gar kompliziert schlecht essen. Nur schlecht essen will freilich niemand. Aber möchte ich dann gleich den Lieferservice bemühen, der mir das Essen nach Hause bringt? Und würde es am „einfach essen“ etwas ändern, wenn ich vorher mein Essen kompliziert zubereite? Wohl kaum. Immerhin ist mir der Spruch nun im Gedächtnis geblieben.

Café Butter / Prenzlauer Berg

Als ich das Foto aufgenommen habe, störte mich die Litfaßsäule, denn sie versperrt die Sicht auf die Fassade des Gebäudes. Allerdings störten mich auch noch der Tisch und der Aufsteller, der sich an die "Mitnehmer" richtet. Der Tisch wird im Winter nur von den Rauchern genutzt. Freie Sicht auf die Fassade, möchte ich rufen.

Aber halt! Warum steht die Säule mit der Werbung für einen Lieferdienst vor einem Café? Die Werbung ist mir erst so richtig beim Betrachten des Fotos aufgefallen. Soll sie mich zum Abbiegen bewegen, damit ich wieder nach Hause gehe und mir dort das Essen aus eben jenem Butter liefern lasse? Das wäre im Sinne des Lieferdienstes und vielleicht auch im Sinne des Cafés, denn so würde ich dort keinen Platz okkupieren. Aber wenn niemand mehr das Café besucht, wäre es doch auch nicht schön. Zum Städtischen gehört doch gerade auch eine Caféhauskultur: Man sitzt in einem schönen Raum und trinkt Kaffee, liest vielleicht, schaut auf die Straße und wird selbst beobachtet.

Mit dem nach Hause gelieferten Essen kann ich nur noch den Fernseher anschauen oder die klugen Gedanken lesen, die Twitterer so von sich geben. Die Straßenbahn, die im Takt vorbeirattert, würde ich dann jedoch verpassen. Diese Straßenbahn ist nicht der schlechteste Grund, im Butter Platz zu nehmen. Aber heute will ich eigentlich nur einen Kaffee trinken.

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