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AutorenbildJoerg Nicht

Keiner mag es, jeder tut es

Warum Instagrammer ihre Posts auch in den Stories teilen


„Die Aufmerksamkeit anderer Menschen ist die unwiderstehlichste aller Drogen.“ (Georg Franck)

Havanna: Mit einem Handzeichen macht man auf sich aufmerksam

Welche Instagrammer haben sich nicht schon einmal geärgert, wenn sie in den Stories dieselben Bilder sehen wie im Feed? Gefühlt jeder zweite Account kündigt einen neuen Post auch in den Stories an, und zwar meist mit dem identischen „Content“. Dass ich nicht der einzige bin, dem diese Praxis fraglich vorkommt, habe ich Ende letzten Jahres gemerkt: Auf dem Account @dudewithsign hielt ein gewisser Seth ein Pappschild hoch mit der Aufschrift „Stop Sharing Your Post in your story“.

Dudewithsign: Stop Sharing Your Post in your Story

Zu dem Post von Seth habe ich eine kleine Umfrage per Instagram-Story gestartet. Sollten neue Posts auch in den Stories angekündigt werden? Das Ergebnis war eindeutig: Rund drei Viertel der Teilnehmer*innen stimmten mit „Nein“. Allerdings ist die Umfrage nicht repräsentativ. Außerdem haben einige der notorischen Post-Ankündiger unter meinen Followern an der Umfrage nicht teilgenommen.


Aufschlussreich sind Kommentare, die ich erhalten habe, nachdem ich meine Follower fragte, was sie über das Bewerben der Posts in den Stories denken. Der New Yorker Street-Fotograf Paul (@paulie.b) antwortete, dass sich im Durchschnitt 10 Prozent seiner Follower seine Posts anschauen und 4 bis 5 Prozent seine Stories. Paul geht davon aus, dass sich diese beiden Gruppen kaum überschneiden. Für mich ergibt sich daraus die Frage, ob es sich um zwei unterschiedliche Kanäle handelt, die problemlos mit dem gleichen Material befüllt werden können. Paul nimmt auch an, dass User ihre Posts in ihren Stories wegen des Instagram-Algorithmus zeigen. Schließlich meint er, dass man sich nicht darum kümmern sollte, was andere Leute tun. Denn mit nur einer Handbewegung sei man schon beim nächsten Beitrag.


Andere Follower schrieben mir, dass sie die Ankündigungen mögen, weil sie dadurch von Beiträgen erfahren, die sie im Feed nicht sehen. Eine Nutzerin meinte, da „ihr“ Algorithmus kaputt sei, bekomme sie erst durch die Stories manche Posts zu sehen. Inwieweit im Feed Beiträge angezeigt werden oder nicht, darüber gibt es ausufernde Diskussionen. Für einige User scheinen die Stories den entscheidenden Hinweis darauf zu geben, mal wieder in die Posts des Accounts zu schauen, dessen Stories man gerade gesehen hat. Ein Nutzer meinte, wenn man weniger Accounts folge, könne man alle Posts sehen.


Einen anderen Aspekt betont Riki, ein Freund aus Helsinki: Stories halten die Leute davon ab, etwas im Feed zu posten. Ein anderer Follower bestätigt das. Er habe mit vielen Leuten gesprochen, die mehr durch die Stories swipen als durch ihren Feed. Schon allein deshalb sei es sinnvoll, die Posts auch in den Stories zu bewerben. Aber warum lehnen drei Viertel der Nutzer diese Art von Werbung für ein bestimmtes Produkt – den eigenen Account, den neuesten Post – trotzdem ab? Letztlich ist diese Form der Selbstdarstellung und -vermarktung doch eine Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Sie passt hervorragend zu einer Plattform wie Instagram, war ihr vielleicht sogar von Anfang an eingeschrieben. Ein Nutzer fasst das so zusammen: „Do whatever you can to get as many eyes on you as possible.“ Es ist ein Kampf um Aufmerksamkeit, den im Übrigen auch Seth mit @dudewithsign sehr erfolgreich führt. Man tritt ihm wohl nicht zu nahe mit der Vermutung, dass er mit seinen Pappschildern Aufmerksamkeit erzeugen will – zum einen für die alltäglichen Protestbotschaften, die auf den Pappschildern stehen, zum anderen für sich und seinen Account. Denn mittlerweile ist Seth ein Instagram-Star, über den auch andere Medien berichten. Sein Stil wird nachgeahmt und sein Account hat 3,9 Millionen Follower. Für den erwähnten Post vom 30.12.2019 hat er bis heute über 790.000 Likes und über 8.400 Kommentare erhalten.


Auf Instagram wird der Kampf um Aufmerksamkeit immer schärfer geführt. Das liegt nicht nur daran, dass Posts und Stories miteinander konkurrieren um die begrenzte Aufmerksamkeit der Follower. Hinzu kommt, dass Posts und Stories längst nicht mehr chronologisch angezeigt werden, sondern aufgrund von Relevanzkriterien des Algorithmus. Auf diese Veränderungen haben viele Nutzer reagiert und versucht, sich dem Algorithmus und seine Relevanzsetzungen anzupassen. Eine verbreitete Reaktion besteht eben darin, auch in den Stories auf sich, den eigenen Account und den neuesten Post aufmerksam zu machen. Eine andere, mindestens ebenso verbreitete Reaktion ist es, davon genervt zu sein.

New Post! Doppelt hält besser?

Rob aus Sydney bringt diesen Zwiespalt, in dem viele Instagrammer stecken, auf den Punkt: „I hate doing it haha but I can’t stop“. Anders gesagt: Um Aufmerksamkeit zu bekommen, nutzt man (fast) jedes Mittel. Übrigens: Um mitreden zu können, habe ich in den letzten Tagen auch einige Posts in den Stories beworben. Zumindest statistisch gesehen scheint das nicht bedeutsam zu sein. Denn von den Stories geht kaum jemand zu meinen Beiträgen im Feed.


Was ist Eure Meinung dazu, wie seht Ihr das? Was möchtet Ihr ergänzen? Schreibt mir eine E-Mail (info-(at)-joergnicht.com) oder hinterlasst einen Kommentar.

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